Sonne klimaneutral eingefangen

-Detailbericht zur nachhaltigen Umwandlung von Sonnenenergie in konserviertes Feuer-

Neulich habe ich meine bisherige Jahresernte gesiebt und habe nun eine köstliche Sauce sowie eine feurige Paste. Letztere wohnt jetzt im Kühlschrank, die Sauce hält durch den hohen Essiggehalt auch bei Zimmertemperatur.
Silvester hat der Spaß angefangen, da habe ich das selbst gewonnene Saatgut ins Töpfchen gepackt. Hier ist schon der erste Knackpunkt: Die Samenfestigkeit ist nicht immer gegeben, hatte schon Mal Hybridsamen, welche dann unkontrolliert in zahlreiche Eigenschaften zerfallen sind. Von schön, aber nicht scharf bis klein und gemein hatte ich Spaß mit einer breiten Palette an Früchten. Diesmal hatte ich mehr Glück, Chilis aus Bio-Herkunft sind ein heißer Tipp, mein Saatgut war schon bei einem Freund in der Vermehrung und das Ergebnis gut.
Zum Brechen der Samenruhe braucht man entweder Geduld oder übt sich in Experimenten. Vom Bad in Kamillentee bis Essig oder Hühnerkot findet man so einige Geheimtipps, dem Keimling auf die Beine zu helfen. Eine dünne Schicht Erde über den Samen ist aber auf jeden Fall ratsam, den Topf immer schön feucht halten, das gilt für die gesamte Lebensdauer der Pflanze. Gegen Staunässe kann ein Untersetzer disziplinieren. Dann man muss halt manchmal aufwischen, der pädagogische Effekt ist nicht zu unterschätzen.
Da die Pflanze keinen Frost verträgt, geht es erst ab Mitte Mai nach draußen. Ich fahre zweigleisig, ein paar Pflanzen dürfen drinnen bleiben. Klappt nicht immer, da die zarten Blätter von Blattläusen oder Fransenflüglern heimgesucht werden können. Aber im Büro habe ich schon miterleben dürfen, dass Chili nicht nur sehr dekorativ, sondern auch mehrjährig ist.

Capsaicin ist wie Koffein, Nikotin und Kokain ein Alkaloid im Interesse der menschlichen Nutzung. Und in der Herstellung energieaufwändig für die Pflanze. Bei Kräutern wie Rosmarin, die ätherische Öle als Fraßschutz auf den Blättern nutzen, wird Trockenheit zur Steigerung propagiert. Das sehe ich beim Capsaicin anders: Es entspringt der weißen Schicht zwischen Samen und Fruchtfleisch und braucht wie gesagt viel Energie bei der Herstellung. Daher sollte die Pflanze optimale Bedingungen haben, neben Sonne also ausreichend Wasser, Nährsalze. Und zur Not bei Zimmerpflanzen mit der Hand bestäuben (mehr Samen → mehr Placenta → mehr Schärfe).

Bei meiner Ernte gehe ich davon aus, dass sie keine nennenswerten Emissionen von Treibhausgasen erzeugt hat. Töpfe wie Substrat waren wiederverwertet bzw. aus eigener Herstellung. Gedüngt und gegossen wurde mit Resten aus der Küche, z. B. Vorspülwasser ohne Tenside. Gehäckselt mit Ökostrom, der Essig stammt aus 80%iger Essenz und somit aus möglichst wenig Verpackung. Die Behälter stammen ebenfalls aus direkter Wiederverwertung.

Die kleine, sonnenverwöhnte Pflanze vom Balkon hat vier große Früchte beigetragen, die Schwester aus der Zimmerhaltung ist zwar dreimal höher und auch breiter, brachte aber nur zwei kleine Chilis mit ein. Mit 5%igem Essig und etwas Salz habe ich die grob mit einer Schere zerschnittenen Stücke püriert, danach im Kühlschrank ein paar Tage ziehen lassen und letztlich gesiebt. Wenn es zu scharf sein sollte, einfach weiter mit Essig verdünnen (Schere zur Vermeidung von Verschleppung durch die Finger in die Augen.)

Das Ergebnis ist unbezahlbar. Die Flasche steht immer auf dem Tisch, wenn Gäste da sind. Der Geschmack und die Schärfe kommen gut an.

Capsaicin lässt unsere Thermosensoren anspringen, das funktioniert nur bei Säugetieren. Vögel sind hier im Vorteil, da anders konstruiert. Das ist gut eingeplant, denn der zoochore Transport bringt mit dieser Tierart in der Regel deutlich mehr Kilometer Reichweite. Die Schärfe ist also ein chemisch-biologischer Trick zur Optimierung der Samen-Verbreitung. Und der Grund dafür, warum ich gerne „con fuego“, also mit Feuer sage. Die Red Hot Chili Peppers sehen das ähnlich. Also immer schön bei der Dosierung aufpassen…

Text: Rolf Zimmermann (Klimaschützer & Foodsaver), Bild: congerdesign auf Pixabay

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